Warnung: der folgende Text ist lang - knapp 2000 Wörter lang. Das schöne an Texten ist aber, dass man jederzeit pausieren oder auch vor- und zurückspringen kann. Was ich damit eigentlich sagen will, lasst euch von der Länge nicht einschüchtern und fangt mal an, ich habe auf jeden Fall mehr Zeit zum Schreiben gebraucht, als ein durchschnittlicher Leser zum Lesen brauchen sollte.
Schuhläden gibt es viele, für Bergschuhe schon weniger und Schuster, die Bergschuhe nach Maß herstellen, sind ganz besonders schwer zu finden. Das musste auch Mr. X (er wollte nicht, dass ich seinen Namen erwähne, nachdem ich gesagt habe, ich würde einen Blogeintrag über den Tag verfassen) erkennen.
Deswegen hat Mr. X auch monatelang nach einem Schuster gesucht und schlussendlich einen in Frittlingen in Deutschland gefunden. Da sich die Preise für die Schuhe im Bereich anderer guter Wanderschuhe bewegten und ich sowieso keine richtigen Wanderschuhe habe, willigte ich ein, mitzugehen und mir auch welche machen zu lassen. Der folgende Eintrag schildert nun jenen letzten Freitag, an dem wir diese Reise unternommen haben.
Bislang wenig ereignisreich setzten wir uns um etwa 8:55 in Zürich in den Zug Richtung Rottweil. Bereits um 9:10 fuhr der Zug ab und gegen elf Uhr kamen wir am Bahnhof in Rottweil an. Da unser Zielort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit dem Bus zu erreichen war, beschlossen wir die Busfahrerin, die gerade Pause hatte, zu fragen, welchen Bus wir denn nehmen können, worauf diese keine Antwort wusste.
Also verließen wir uns auf den ausgedruckten Plan von Mr. X laut dem wir ein schönes Stück Weg in Form eines sehr lang gezogenen C zurücklegen mussten. Wir entschlossen uns stattdessen eine Treppe direkt vor uns zu verwenden um zur höher gelegenen Straße zu kommen und nicht die Route, welche offenbar nur für Autos gilt zu begehen.
Wenig informativ erwies sich allerdings der Busfahrplan, der nur Endhaltestellen angab. Nach kurzem Warten schlug ich vor, den Plan auf der gegenüberliegenden Seite zu checken, da dort die Haltestelle überdacht war und der Plan größer wirkte. Tatsächlich war dort der Ort Rottweil verzeichnet. Da wären wir wohl sonst in die falsche Richtung gefahren. Dies änderte aber nichts daran, dass wir noch eine halbe Stunde warten mussten.
Mutig beschlossen wir also, schon mal einen Teil der Strecke zu gehen. Als wir sieben Minuten später die nächste Haltestelle erreichten, hatten wir schon den Weg zurückgelegt, für den der Bus eine Minute brauchen würde. Zur nächsten Haltestelle brauchten wir wieder so lange und der Bus wieder genauso kurz. Zur dritten Haltestelle brauchten wir ebenso sieben Minuten, die war allerdings für einen anderen Bus. Schnellen Schrittes gingen wir also zur vorherigen zurück und mussten auch keine zwei Minuten waren, ehe der Bus kam.
Beim einsteigen erklärte Mr. X dass wir Buskarten nach Rottweil brauchen, was er auch bekam. Ich gab dem Busfahrer das Geld hin, was er nur mit: "Für Sie die gleiche?" quittierte. Da gab es wohl kleinere Kommunikationsprobleme.
Nach ungefähr 15 Minuten Fahrtzeit erkannte Mr. X dass wir an einer Haltestelle, mit der Aufschrift Rathaus ankamen und da die Zeitangabe gut mit seinem Plan, wo auch immer er den her hatte, übereinstimmte, stiegen wir da aus.
Als der Bus weggefahren war, konnten wir dann auch ein "Frittlingen 3 km" Tafel erkennen. Da der nächste Bus erst in einer halben Stunde kommen würde, entschlossen wir uns etwas frische Luft auf der Schnellstraße ohne Gehweg zu genießen. Nach einigen hundert Metern bot sich auch schon eine Schotterstraße an, die parallel zur Schnellstraße verlief. Erfreut von der besseren Sicherheit folgten wir dieser, bis einige hundert Meter diese plötzlich bei einem Reiterhof endete. Zum Glück konnte man in halbwegs steilem Gelände wieder zurück zur Straße hinunter. Der Weg wurde zusätzlich erschwert durch ausgiebig verstreute Pferdeäpfel, da uns aber ein Pferd bereits freundliche am Rand des Zauns beäugen kam, gingen wir bereitwillig.
Nach einiger Zeit erreichten wir dann endlich die Ortstafel unseres Zielorts und gingen erfreut weiter. Wir waren weit und breit die einzigen Fußgänger, aber nun wenigstens wieder auf einem Gehsteig unterwegs. Ich musste mich dann auch schon bald über einen Friseursalon lustig machen, der sich Paparazi nannte. Dies war recht vorteilhaft, zumal der auf Mr. X Karte von Google Maps verzeichnet war und wir so bald den Schuhmacher fanden. Mr. X fiel dabei noch besonders auf, dass es im ganzen Ort keine richtigen Zebrastreifen auf der Fahrbahn gab, sondern wenn überhaupt, nur angedeutet.
Soviel Laufen machte natürlich hungrig - und Schweißfüße, aber das war ein Problem für den Schuster - weswegen wir beschlossen in eine von fünf möglichen Wirtschaften im Ort einzukehren für ein leichtes Mittagessen. Wie wir später herausfinden sollten war die ausgesuchte auch die einzige die zu Mittag offen hatte. Wir gingen aber eher nach dem Kriterium, dass sie in der Nähe des Schusters ist und nicht abgefackt aussieht.
Wir setzten uns also an einen Tisch und wurden bald von einem älteren Herrn mit schwer verständlichem Dialekt gefragt, was wir gerne trinken würden. Ich bestellte eine Sprite. Er fragte mich ob ich ein Glas oder eine Flasche wolle, sowie noch etwas, was ich nicht verstand und beendete die Frage nach einer kurzen Pause mit dem Wort süß?
Ich bejahte einfach und hoffte auf das beste. Es war vielleicht nicht das beste aber auf jeden Fall gut, denn ich bekam eine Art Sprite-Klon, der mit Mineralwasser gemacht wurde, was einen deutlich besseren Geschmack gab.
Nun bestellten wir das Essen. Mr. X wollte unbedingt Maultaschen als Vorspeise. Er wurde von unserer Bedienung auf die Größe der Portion hingewiesen und dass diese nicht unbedingt als Vorspeise zu sehen ist. Mr. X nahm das zur Kenntnis und bestellte als Hauptspeise ein Jägerschnitzel, für mich gab es einen Grillteller.
Da Mr. X den ganzen Speisesaal im Blickfeld hatte, konnte er sich auch inzwischen ein Bild machen, wie groß seine Portion werden würde. Motiviert aß er also seinen Salat, den er als erstes bekam, danach bekam er einen Schock ob der Größe der Maultaschen und obschon ich ein kleines Stück probierte, war es nach den drei Taschen doch halbwegs satt.
Nun bekam er noch einen Salat und das oder besser gesagt die zwei Jägerschnitzel mit Spätzle.
Ich erhielt einen Grillteller mit einem Rindsteak, einem ordentlichen Stück Schweine- und Rindfleisch. In anderen Lokalen würde man nur eines davon auf dem Teller haben. Dazu gab es so etwa 8 bis 10 Kroketten und eine kleine Schüssel Gemüse. Während Mr. X auch noch die Schnitzel, aber nicht alle Beilagen in seinem Magen verstauen konnte, musste ich mich in der Hälfte des letzten Fleischs geschlagen geben. Durfte dafür aber noch meine zuvor geäußerten Worte schlucken, ich würde nie so viel essen, dass mir schlecht werden würde, denn nun war der Magen eindeutig bis oder über die Grenzen gefordert.
Mr. X schlug also einen Verdauungsschnaps vor, was ich sofort unterstützte und so gab es einen Williams zum Nachtisch.
Wirklich was genützt hat es nicht und so war mir noch immer etwas schlecht, als wir beim Schuster waren. Dieser nahm zunächst von den Füßen von Mr. X Maß. Nach einigen langweiligen Minuten, in denen ich mich voll auf meine Magenverstimmung konzentrieren konnte, entschuldigte ich mich und ging mir die Füße vertreten. Entlang Kanalgittern lief ich also die Straße auf und ab auf der Suche nach einem Gebüsch oder Feld, wo es niemanden stören würde, wenn ich kaum Verdautes zurücklasse. Schlussendlich beruhigte sich mein Magen aber wieder ein wenig und ich ging zurück zum Schuster und erklärte ihm, mir sei eben nicht ganz wohl, da ich zuviel gegessen habe. Da schlug auch dieser gleich einen Verdauungsschnaps vor, was ich wohl mit einem "wir hatten bereits nach dem Essen einen" zu wenig deutlich ablehnte, da er kurz drauf mit einem Ouzo kam.
Nach dem ersten Schluck dachte ich, jetzt würde mir gleich alles hochkommen, doch offenbar tat er seine Wirkung, denn schon bald beruhigte sich mein Magen. Das war auch gut, denn nun wurde von meinen Füßen Maß genommen. Anders als Mr. X, der Hochgebirgswanderschuhe sowie normale Straßenschuhe für Sommer und Winter machen ließ, wollte ich lediglich einen leichten Wanderschuh für Wanderwege. Nachdem ich dann noch genau die Auswahl zwischen einem Modell hatte, entschied ich mich für die Farbkombination Schwarz-Orange.
Die Schuhe würde man uns zuschicken, wurde vereinbart und zwar in etwa 15 Monaten, denn obwohl sie 23 Paar Schuhe pro Woche herstellen, kommen sie wohl kaum mit den Aufträgen nach.
Anschließend ging es zurück zur Bushaltestelle um zu prüfen, wann denn der nächste Bus fahren würde. Dies war erst in rund 40 Minuten und da dort auch ein Stadtplan war, erübrige sich die Frage, ob man etwas in dem Dorf machen könnte.
Zufällig gab es in der Nähe eine Apotheke und da Mr. X sich billiger als in der Schweiz mit Salben und so Zeug eindecken wollte, gingen wir sogleich dorthin. Auf dem Weg dorthin blieb zufällig der Bus an einer Haltestelle stehen, als wir vorliefen. Sofort gingen wir natürlich hinein und fragen, ob man noch anders zurück nach Rottweil kommt – es war übrigens derselbe Busfahrer bei dem wir die Tickets gekauft hatten – was er allerdings verneinte. So gingen wir also weiter zur Apotheke.
Nachdem dort Mr. X von seinen etwa 10 notierten Sachen, drei oder vier von der Einkaufsliste streichen konnten, entschlossen wir uns die restliche Zeit im Wirtshaus zu verbringen, wo wir das ausgiebige Mittagsmahl hatten. Wir setzten uns dort auf die Terrasse und bestellten je einen Williamsschnaps. Der Wirt, der uns auch schon zu Mittag bedient hatte, stellte etwas besorgt fest: „So früh!“ Ich entgegnete ihm, dass ja schon bald Wochenende wäre. So genossen wir einen Williams und Mr. X einen kleinen Radler, was bereits der vierte (da ein großer zwei kleinen entspricht) war.
Danach schafften wir es wiederum knapp zur Bushaltestelle und fuhren ins Zentrum von Rottweil ohne weitere Probleme. Genau gegenüber von der Bushaltestelle gab es auch eine Drogerie, die Mr. X, mit dem Ziel alle Produkte auf seiner Einkaufsliste zu finden, betrat.
Er fand dann doch nicht alles, doch kaum 100 Meter weiter, kam bereits die nächste Drogerie und danach konnte er abermals etwas mehr von seiner Einkaufsliste streichen.
Wieder gut 100 Meter weiter, kam dann auch noch ein Schuhgeschäft und da Mr. X offenbar noch zu wenige Schuhe gekauft hatte, erstand er dort einen Halbschuh. Bemerkenswert war dabei, dass er nicht lange wählen musste, sondern wirklich gleich fand, was ihm gefiel.
Anschließend beschlossen wir noch ein wenig herumzulaufen, da wir vielleicht noch sonst etwas sehen würde und tatsächlich war die nächste Apotheke keine 100 Meter entfernt, womit dann seine Einkaufsliste vollständig erfüllt war.
Wir überlegten uns noch ein Eis an der Diele daneben zu kaufen, da sehr viele Leute anstanden, ließen wir es dann aber und machten uns auf den Rückweg zu Bahnhof. Die richtige Abzweigung hätten wir prompt verpasst, hätte ich nicht auf ein Schild mit dem Wort Bahnhof aufmerksam gemacht.
Jedenfalls waren wir dann großzügige fünf Minuten zu früh am Bahnsteig.
Die Fahrt zurück verlief auch sehr kommunikativ, was aber nicht genauer erwähnt werden muss. Zudem berieten wir, ob wir überhaupt noch das Abendessen im Heim genießen sollten, welches aus Ravioli bestand. Da wir doch recht gesättigt vom Mittag waren, kauften wir uns im Bahnhofsgelände also lieber je einen kleinen Becher Eiscreme und entschlossen uns nach kurzer Beratung an der Limmat auf eine Bank zu setzen und die Abendsonne zu genießen.
Tatsächlich wurden auf der Straßenseite gegenüber von der Parkbank gerade einige (vermutlich) Drogendealer verhaftet. Die Hände – unterstützt durch Handschellen – hinter dem Rücken haltend, blickten die drei Herren zusammen mit drei Polizisten auf einige Gegenstände am Boden, die vermutlich (bzw. hoffentlich) in deren Kleidung und nicht sonst irgendwo waren. Die Polizisten fassten die Sachen jedenfalls nur mit Gummihandschuhen an. Bis wir fast mit unserem Eis fertig waren, kaum auch noch ein zweiter Polizei-Transporter an, der die geschäftstüchtigen Menschen mitnahm.
Wir diskutierten derweil noch ein wenig, ob es möglich ist, den größten Polizisten aus der Gruppe, der so etwa wie das menschliche Gegenstück zu einem Panzer aussah, zu Fall zu bringen und kamen zum Schluss, dass jeder fallen muss, wenn man ihn unter seinem Schwerpunkt angreifen kann.
Natürlich hatten wir keine Intentionen uns mit diesem, oder jedem anderen, Ordnungshüter anzulegen, aber als Techniker ist es unsere Aufgabe uns alle möglichen Fragen zu stellen.
Danach liefen wir ins Heim und schwärmten sogleich von unserem Ausflug.
Wer nun neugierig geworden ist, um was für einen Schuhmacher es sich handelt, der soll mal auf diesen Link klicken.
1 Kommentar:
Einen unterhaltsamen Bericht unseres gemeinsamen Abenteuers hast du da verfasst :)
Monatelang habe ich jedoch nicht nach einem solchen Schuster gesucht. Ich bin durch Zufall in einem Outdoor Forum darauf gestossen. Sonst gibt's nichts auszusetzen.
Schöne Grüsse
Mr. X
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